ZWISCHEN KRIEGSENDE UND NEUANFANG: Die Kinokultur der Alliierten in Berlin 1945/46
Brief Encounter - Begegnung (1945, OF)Gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Sonntag, 26. November, um 15.30 Uhr Einführung: Martin Erlenmaier Brief Encounter / Begegnung GB 1945, R: David Lean, B: Noël Coward D: Celia Johnson, Trevor Howard, Stanley Holloway, 85‘, digital, OF Vorprogramm Welt im Film Nr. 68 D (West) 1946, 20‘ · 35mm Ein Meisterwerk des britischen Kinos: Die ergreifende Geschichte zweier verheirateter Menschen, die einander näherkommen und sich fragen müssen, was sie bereit sind für ihre erwachende Liebe aufzugeben. Für Brief Encounter, den „ersten englischen Film in deutscher Sprache“, wird zonenübergreifend in der Tagespresse geworben, die Premiere unter dem Titel Begegnung findet am 30. August 1946 im Marmorhaus statt (der Vorfilm zeigt dokumentarische Aufnahmen dieses Ereignisses). Synchronfassung wie Film finden in der Presse allerdings wenig Gegenliebe: „Wenn englisch gesprochen wird, wie im Astor, wo derselbe Film in der Originalfassung läuft, dann ist es immerhin ein annehmbarer Anschauungsunterricht über das ganz erträgliche Leben der englischen Mittelklasse in der Provinz. Auf deutsch ergibt es aber für uns nicht nur einen falschen, sondern einen fast gespenstischen Zungenschlag, aus dem man sich vielleicht am höflichsten durch Lachen rettet.“ (Berliner Zeitung, 3.9.1946) Es ist nicht das erste Mal, dass ein britischer Film im Berlin der Jahre 1945/46 durchfällt. Übersehen wurde dabei die filmische Subtilität, mit der David Lean eine alltägliche Liebesgeschichte in einer komplexen Erzählstruktur inszeniert. Die Welt im Film zeigt unter anderem Aufnahmen von den Ruinen auf dem Obersalzberg. Zwischen Kriegsende und Neuanfang Die Kinokultur der Alliierten in Berlin 1945/46 Der Hunger nach Bildern war immens. Nach Bildern, die für kurze Zeit die aus Trümmern, Zukunftsangst und Not bestehende Wirklichkeit verdrängten, mit den wahlweise als Besatzer oder Befreier empfundenen sowjetischen Soldaten. Hinzu kam ein Verlangen nach anderen Bildern als jenen der vergangenen 12 Jahre nationalsozialistischer Herrschaft und Filmproduktion. Bereits wenige Tage nach Einstellung der Kampfhandlungen am 2. Mai 1945 boten in Berlin wieder einzelne Kinos Filmprogramme an. Ende Mai waren es schon über 30 Kinos, und ihre Säle waren voll. Zunächst schien es das Publikum nicht zu stören, dass sowjetische Filme nur in russischen Sprachfassungen gezeigt wurden, neben einigen erbeuteten Kopien amerikanischer Filme aus Goebbels Reichsfilmarchiv. Mit der Ankunft der Amerikaner, Briten und Franzosen im Sommer 1945 wurde das Angebot diverser und die Programmarbeit professioneller. Bald standen auch Filme mit Untertiteln und deutschsprachige Synchronfassungen zur Verfügung, die den Bedürfnissen der Zuschauer entgegen kamen. Als harmlose Unterhaltung eingestufte deutsche Filme aus nationalsozialistischer Produktion ergänzten die Spielpläne. Der Viermächtestatus Berlins wirkte sich auf das gesamte Kulturangebot der Stadt aus, in der die vier Alliierten ab Herbst 1945 förmlich um das beste Kinoprogramm wetteiferten. Allerdings waren die Interessen der Besatzungsmächte und des Publikums nicht immer deckungsgleich. Einerseits diente das Kino der Erholung von Sorgen und Strapazen des Alltags. Andererseits wurden die Besucher auf der Leinwand mit den im Namen von Volk, Nation und Führer verübten Gräueltaten konfrontiert, und die Alliierten warben für die Segnungen der Demokratie oder die Errungenschaften des Sozialismus. Daneben gab es zaghafte Versuche, einen „neuen“ deutschen Film aufzubauen. Es entstanden kurze Kultur- und Animationsfilme, im Februar 1946 erschien die erste deutsche Nachkriegs-Wochenschau Der Augenzeuge. Wenige Monate später, im Mai folgte die Gründung der DEFA, deren erster Spielfilm, Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns, bereits in Arbeit ist. Die Retrospektive Zwischen Kriegsende und Neuanfang. Die Kinokultur der Alliierten in Berlin 1945/46 lädt dazu ein, die alliierte Kinokultur im Berlin der unmittelbaren Nachkriegszeit kennenzulernen. Sie rekonstruiert historische, aus Wochenschau, Kulturfilm und Hauptfilm bestehende Programme, die in dieser Zeit des Übergangs zu sehen waren, beginnend mit der Befreiung und Besetzung Deutschlands im Mai 1945 bis zur Premiere von Die Mörder sind unter uns im Oktober 1946. Die von Frederik Lang kuratierte Filmreihe führt die unterschiedlichen, film- und kulturpolitischen Ansätze der vier Besatzungsmächte vor Augen. Ebenso erinnert sie daran, dass die Kinos der Nachkriegszeit zugleich Orte der Unterhaltung, der Zuflucht und des Lernens waren und dem Publikum als bitter nötiges Fenster in die Welt dienten. Die Vorführungen der von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt geförderten Filmreihe finden im Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum statt und an „Originalschauplätzen“ im Kino Krokodil und im Bundesplatz-Kino, die bereits 1945/46 unter den Namen Nord-Lichtspiele und Lichtspiele am Kaiserplatz ihr Publikum unterhielten. Eine Begleitpublikation zur Filmreihe erscheint im Verlag SYNEMA (Wien). Die letzte Sonntagnachmittagstermin im Bundesplatz-Kino und FINISSAGE der Reihe: SO 03.12. um 15.30 Uhr Ihr erstes Rendezvous F 1941, R: Henri Decoin, B: Henri Decoin, Michel Duran, D: Danielle Darrieux, Fernand Ledoux, Louis Jourdan, 105‘ · 35mm, deutsche Synchronfassung von 1942 Einführung: Frederik Lang Vorprogramm Welt im Film Nr. 58 D (West) 1946, 20‘ · 35mm Vom französischen Filmverleih als „ersten französischen Spielfilm in deutscher Sprache“ nach dem Krieg angekündigt, läuft die hinreißende Verwechslungskomödie Premier rendez-vous ab dem 3. Juli 1946 in Berlin. Allerdings handelte es nicht um eine neu hergestellte Synchronfassung, sondern um die NS-Synchronfassung aus dem Jahr 1942, die bereits erfolgreich in den deutschen Kinos gelaufen war. Dass es sich bei der schmissigen Liebeskomödie um ein entflohenes Waisenmädchen, das bei einem schüchternen Lehrer Unterschlupf findet und sich in dessen Schützling verliebt, zudem um die während der deutschen Besatzung Frankreichs hergestellte Produktion einer Ufa-Tochterfirma handelt, macht die Sache noch pikanter. Aber das Publikum war beglückt. Die Welt im Film zeigt die Gedenkfeier für den im amerikanischen Exil verstorbenen Theaterregisseur Max Reinhardt, die Ernährungskonferenz in Hamburg sowie die Aussagen von Albert Speer und Franz von Papen beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess.? Überblick der noch ausstehenden Vorführungen: Dienstag 21.11. um 19 Uhr im Zeughauskino: Les Visiteurs du soir F 1942 Samstag 25.11. um 20 Uhr im Zeughauskino: Eine musikalische Geschichte UdSSR 1940 Sonntag 26.11. um 15.30 Uhr im Bundesplatz-Kino: Brief Encounter GB 1945 Montag 27.11. um 19 Uhr im Zeughauskino: Zirkus UdSSR 1936 Samstag 02.12. um 19 Uhr im Zeughauskino: Goldrush USA 1925/1942 Sonntag 03.12. um 15.30 Uhr im Bundesplatz-Kino: Ihr erstes Rendezvous F 1941 Adressen, Tickets und weitere Informationen: Offizielle Filmwebseite |